Gemeinsame elterliche Sorge Kinder

Die gemeinsame elterliche Sorge

Rechtlicher Hintergrund

Entsprechend Artikel 6 Abs. 2 GG (Grundgesetz) ist die Pflege und Erziehung der Kinder das natürliche Recht der Eltern und die ihnen "zuvörderst ... obliegende Pflicht".

Im BGB, §1626 (Bürgerliches Gesetzbuch) findet sich dieser Gedanke als "elterliche Sorge" wieder. Es handelt sich bei diesem juristischen Begriff um den rechtlichen Mantel zur Ausübung der elterlichen Sorgepflichten und zur Verwirklichung des Kindeswohles.
Verheiratete Eltern üben automatisch die gemeinsame elterliche Sorge aus.

Nichtverheiratete Eltern erlangen die gemeinsame elterliche Sorge entweder durch Heirat, die Abgabe einer Sorgeerklärung beim zuständigen Jugendamt, oder durch einen gerichtlichen Bescheid.
Über den Link erhalten Sie Informationen der Stadt München zur Sorgeerklärung beim Jugendamt.

Seit 2013 können nicht-eheliche Väter das Familiengericht anrufen, um die gemeinsame Sorge zu erhalten. Es gilt die Negativprüfung, d.h. das Familiengericht soll die gemeinsame Sorge bescheiden, wenn es keine Gründe gibt, die dagegen sprechen und wenn dies dem Kindeswohl nicht widerspricht.
Dies geschieht ohne Anhörung der Eltern und ohne Beteiligung des Jugendamts. Im Fall, dass die Mutter die gemeinsame Sorge ablehnt oder Gründe bekannt werden, dass die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl widerspricht, soll das Gericht eine genaue Prüfung unternehmen, eine Anhörung terminieren und das Jugendamt beteiligen.
Voraussetzung ist allerdings, dass der Vater eine Beziehung zum Kind hat und durch sein Verhalten glaubhaft macht, dass er seine Verantwortung ernst nimmt. Auch muss ein Mindestmaß an tragfähiger Beziehung, Kommunikation und Kooperation zwischen den Eltern gegeben sein.

Generell ist das Familiengericht dazu aufgerufen, diese Anträge im beschleunigten Verfahren zu behandeln (§§155, 155a-c FamFG). Ebenso die Verfahren zur Regelung des Umgangs, der Herausgabe des Kindes und der Aufenthaltsbestimmung.

Die Verantwortung gegenüber dem Kind wird je nach individueller familiärer Situation in den verschiedensten Formen wahrgenommen, ohne dass der Gesetzgeber einen Anlass zum Eingriff sieht (außer bei Gefährdung des Kindes).
Folgerichtig besteht in der Regel die gemeinsame elterliche Sorge nach einer Trenung oder Scheidung weiter. In Ausnahmefällen kann die Trennung bzw. Scheidung der Eltern Anlass sein, die elterliche Sorge  auf einen Elternteil allein zu übertragen.

§ 1671 BGB

(1) Leben Eltern, denen die elterliche Sorge gemeinsam zusteht, nicht nur vorübergehend getrennt, so kann jeder Elternteil beantragen, dass ihm das Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge allein überträgt.


(2) Dem Antrag ist stattzugeben, soweit
1.    der andere Elternteil zustimmt, es sei denn, dass das Kind das vierzehnte Lebensjahr vollendet hat und der Übertragung widerspricht, oder
2.    zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am besten entspricht.

§ 1687 BGB

Zusätzlich regelt §1687 BGB: „…für getrennt lebende Eltern, denen die gemeinsame elterliche Sorge zusteht", dass "Angelegenheiten des täglichen Lebens" von der Person getroffen werden, die das Kind tatsächlich betreut und nur Belange, deren Regelung von "erheblicher Bedeutung" ist, ein gegenseitiges Einvernehmen erfordern.
Und nach §1628 BGB kann das Familiengericht bei Nichteinigigung in einer einzelnen Frage oder einer bestimmten Art von Angelegenheiten der elterlichen Sorge, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, auf Antrag eines Elternteils diese spezifische Entscheidung diesem Elternteil übertragen.  
Damit ist sicher gestellt, dass ein Elternteil entscheiden und handeln kann, auch wenn die Eltern sich in einer wichtigen Frage, wie z.B. Wohnort des Kindes oder welche Schule das Kind besuchen soll, nicht einigen können. Die richterliche Entscheidung kann mit Auflagen und Einschränkungen verbunden sein.

Allgemeine Erfahrungen mit der gemeinsamen elterlichen Sorge

Für das Kind ist nicht der formal-juristische Aspekt, sondern die praktische Umsetzung der Elternpflicht bzw. der Elternverantwortung von letztendlicher Bedeutung, das heißt Sorgerecht ist zu verstehen als Recht des Kindes auf (Für)Sorge.

Gemeinsame Elternschaft bedeutet eine lebenslange Verantwortung und es versteht sich von selbst, dass diese im Interesse der Kinder nicht mit dem Zeitpunkt der Trennung plötzlich beendet werden kann. Gerade in Krisensituationen brauchen Kinder, und auch Eltern, ein Optimum an Beziehungskontinuität.
Die Beibehaltung der gemeinsame elterliche Sorge dokumentiert ausschließlich die Verantwortung von Mutter und Vater gegenüber ihrem Kind. Sie hat keinerlei Auswirkungen auf die anderen Fragen, wie z. B. Ehegattenunterhalt oder Betreuungs – bzw. Umgangsregelung.


Sowohl für Mutter und Vater einzeln, als auch im Verhältnis zueinander wirkt sich die Beibehaltung der gemeinsamen elterliche Sorge positiv aus. Die Sicherheit, nicht aus der Erziehung des eigenen Kindes ausgeschaltet bzw. mit der ganzen Verantwortung nicht allein gelassen zu werden, gibt den Eltern die Möglichkeit, sich weiterhin voll verantwortlich für ihr Kind zu fühlen.
Durch das Weiterbestehen der gemeinsamen elterlichen Sorge können Mutter und Vater z. B. Auskünfte vom Arzt oder Lehrer des Kindes einholen. Dadurch erleben beide Eltern, dass es keinen "Gewinner" und keinen "Verlierer" gibt. Das elterliche und persönliche Selbstwertgefühl bleibt unangetastet. Damit bestehen die besten Voraussetzungen, dass sich Mutter und Vater ihrer elterlichen Liebe und Verantwortung entsprechend für das Kind einsetzen.  

Die gemeinsame elterliche Sorge im Alltag

Ein wichtiger Grundpfeiler für eine gemeinsame und verantwortungsvolle Elternschaft nach Trennung/Scheidung ist das Prinzip der Nichteinmischung in die Privatsphäre des ehemaligen Partners.

Die alltäglichen Fragen, z.B. wann und wie Hausaufgaben gemacht werden, liegen im Verantwortungsbereich des Elternteils, der das Kind gerade betreut. Die strikte Einhaltung des Nichteinmischungsprinzips gewährt den ehemaligen Partnern die Sicherheit, dass man sich nicht gegenseitig kontrolliert. Darüber hinaus wird vermieden, dass nicht aufgelöste Beziehungskonflikte unnötig weiter geführt werden.

Mutter und Vater sollen sich jeweils voll verantwortlich für die Zeit des Zusammenlebens mit ihrem Kind fühlen können. Insofern steht eine größere räumliche Distanz zwischen den Wohnorten der Eltern der  Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge nicht entgegen. Ganz im Gegenteil: gerade bei großen Entfernungen zwischen Mutter und Vater ist es sinnvoll, dass beide alle Entscheidungskompetenzen für den Alltag mit dem Kind besitzen, wie dies eben bei der gemeinsamen elterlichen Sorge der Fall ist.

Es ist wichtig, dass Mutter und Vater ihre Elternverantwortung im Sinne einer liebevollen Beziehung zu ihrem Kind leben können und der zeitliche Rahmen dafür geschaffen wird. Dabei ist es gut, aber nicht Voraussetzung, wenn die Eltern in alltäglichen Fragen zu einer Übereinstimmung kommen.
Wichtige Fragen (der Gesetzgeber spricht in § 1687 BGB von Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung: Bildungsweg, religiöse Erziehung und Gesundheitsfürsorge), müssen  miteinander abgestimmt werden. Wenn Eltern sich diesbezüglich nicht einigen können, ist es ratsam, dass sie von ihrem Recht auf Beratung Gebrauch machen. Beim Jugendamt/Bezirkssozialarbeit oder in einer Erziehungs- oder Familienberatungsstelle, wie z.B. der IETE können die Eltern die Themen im Beisein eines neutralen und fachkundigen Dritten diskutieren und mit dessen Unterstützung zu einer tragfähigen, gemeinsamen Lösung gelangen.

Halten Sie sich in solchen Fällen immer vor Augen, dass es auch in einer zusammenlebenden Familie zu Konflikten bezüglich der Kinder kommt, die sich allerdings dadurch unterscheiden, dass die Eltern als Ehepartner aufeinander zugehen und deshalb offener für die Argumente des anderen sind. In welcher Phase es auch immer zu Kontroversen zwischen Ihnen und Ihrem ehemaligen Partner kommt, ist zu beachten, dass Kinder am Vorbild ihrer Eltern lernen, wie Konflikte konstruktiv gelöst werden.

Darüber hinaus spüren Kinder ganz genau, wenn Spannungen zwischen ihren Eltern auftreten. Sprechen Sie deshalb schon von Anfang an in altersangemessener Form mit Ihrem Kind und klären es darüber auf, dass es sich um einen Konflikt zwischen Ihnen als Erwachsene handelt, der aber die Liebe von Mutter und Vater zu ihm nicht beeinträchtigt. Damit vermeiden Sie unbegründete Phantasien, die Ihr Kind schwer belasten können. Kinder sind vom Konflikt ihrer Eltern immer betroffen. Sie haben deshalb ein Recht darauf, das für sie Wichtige und Wesentliche zu erfahren. Dazu gehört vor allem, dass sie weiterhin  eine liebenswerte Mutter und einen liebenswerten Vater erleben können.
Es geht also auch im Hinblick auf die Kinder darum, wie mit Konflikten umgegangen wird. Jeder muss sich täglich der Herausforderung stellen, (potentielle) Konflikte konstruktiv zu lösen. Dabei macht der Umgang mit Ihrem ehemaligen Partner im eigenen und im Interesse Ihres Kindes keine Ausnahme.

Unser Angebot richtet sich vor allem an Familien in Krisen, Trennung und Scheidung, an getrennt lebende Familien sowie an Nachscheidungs-/Patchworkfamilien.

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